Zusammenfassung:
In Hamburg und in Bayern wurden zwischen 2016 und 2018 musikalisch orientierte intergenerative Projekte („Unter 7 – Über 70“) erforscht, welche auf Begegnungen zwischen Kita-Kindern und Pflegeheimbewohner*innen basieren, was vorher im deutschsprachigen Raum noch nicht untersucht wurde.
Im Verlauf der begleiteten Begegnungen, welche im Stil der Grounded Theory Methodology (GTM) analysiert wurden, stellte sich die Frage der Relevanz dieser Projekte auf der Makro-, Meso- und Mikro-Ebene. Zudem sollten die Generationenprojekte u. a. auf ihre Zuordnungsmöglichkeit zu verschiedenen soziologischen Disziplinen untersucht werden, um das beobachtete Phänomen verorten zu können. Während der gesamten Erhebungsphase wurden prozessbegleitende Annahmen formuliert und kritisch, anhand des gegebenen Datenbestandes, überprüft.
Fünf Musikfachkräfte ermöglichten der Verfasserin Beobachtungen von zehn Begegnungen mit durchschnittlich 20 Teilnehmenden, die über ein Jahr hinweg regelmäßig stattfanden. Über die Beobachtung hinaus wurde eine quantitative Erhebung per Fragebogen durchgeführt. Begleitend wurden 18 Pflegekräfte/Betreuungskräfte per Fragebogen befragt, Expert*innengespräche geführt und die Teilnehmenden persönlich, unter Einhaltung forschungsethischer Grundsätze, interviewt. Dies entsprach − wie die Beobachtungen − der qualitativen Forschung.
Die Ergebnisse des explorativ angelegten Forschungsprojektes wurden in insgesamt sechs Fachartikeln eingehend beschrieben1 und als kumulative Dissertation zusammengeführt. Besonders zentrale Kriterien, welche sowohl die Qualität und die Intensität als auch die Nachhaltigkeit der Begegnungen charakterisierten, wurden mit folgenden Kategorien umschrieben: Alter, Bildung, Raum und Körper. Es wird die Empfehlung zur Förderung von Intergenerationenarbeit gegeben, sofern ein derartiges Projekt in die Einrichtungen implementiert werden kann, da die empirische Basis dies bestätigt. Allerdings ist eine hohe horizontale Mobilität auf den Ebenen der Systeme Bildung und Pflege (Makro), Kita und Pflegeheim (Meso) sowie Alt und Jung (Mikro) erforderlich, was als wichtigste Erkenntnis für den wissenschaftlichen Diskurs konstatiert wird. Diesbezüglich werden in den Fachartikeln Implikationen für die Praxis abgeleitet, exemplarisch die erforderliche Professionalität der anleitenden Person des Gruppenangebotes sowie die pädagogisch und geragogisch versierte Rahmung des Settings. Ein zentrales Ergebnis ist, dass sich, sachkundige Durchführung vorausgesetzt, die Altenheimbewohner*innen mit geeigneten anregenden Medien mehr bewegen, auch mit raumgreifenden Bewegungen, als wenn sie im Zimmer verbleiben würden. Dies kann lebensqualitätssteigernd wirken und vermag, durch die musikalische Ausrichtung, auch den stationären Pflegealltag zu beleben.
Teilnehmende Kinder der Kindertagesstätte werden u. a. sanft zu den Themen Schmerzen, Trauer sowie Tod hingeführt und nicht unnötigerweise davon überrascht, wobei die Nutzung von Ritualen hilfreich ist, die den Kern der Begegnungen ausmachen. Auch die Ressource der Ritualnutzung wirkt sich positiv auf die Einrichtungen Kita/Pflegeheim und deren Mitarbeitende aus, und zwar nachhaltig. Konzipierte Beobachtungen der Begegnungen könnten das Curriculum der Studierenden der „Sozialen Arbeit“ ergänzen oder sowohl für die Schüler*innen der generalisierten Pflegeausbildung als auch für die Erzieher*innen-Ausbildung kompetenzförderlich nutzbar gemacht werden. Dies sollte in den Rahmenlehrplan aufgenommen werden, so ein Plädoyer. Als Ausblick für weitere Forschungen könnte auf internationale Studien, exemplarisch die generationsübergreifenden Begegnungen in Skandinavien, aufgebaut werden.