Die Koinzidenz gesellschaftlicher, staatlicher wie ökonomischer Wandlungsprozesse stellt insbesondere die Daseinsvorsorge in peripheren ländlichen Räumen vor gravierende Herausforderungen. Im Zuge einer veränderten Arbeitsteilung übernehmen immer mehr private Anbieter ehemals staatlich bereitgestellte Leistungen. Wirtschaftliche Tragfähigkeit wird so zu einem entscheidenden Kriterium für das Vorhalten von Infrastruktureinrichtungen, was gerade in entlegene schrumpfenden Regionen zu quantitativen und qualitativen Verlusten führt. Um trotz Dualität von Wachstum und Schrumpfung eine ausreichende Versorgung garantieren zu können, ist es notwendig, Verantwortlich- und Verlässlichkeiten in der Daseinsvorsorge zu überdenken. Für periphere Regionen wird dabei immer wieder eine verstärkte Einbindung des Bürgers gefordert. Dieses eingeforderte und in Teilen schon praktizierte neue Miteinander in der daseinssichernden Leistungserbringung sowie die normative Aufladung von Zivilgesellschaft und bürgerlichem Engagement mit Gemeinwohlverpflichtungen sind jedoch grade im Kontext ländlicher Daseinsvorsorge hochgradig voraussetzungsvoll: Zum einen ist nicht einheitlich und abschließend definiert ist, welche Leistungen – Infrastrukturen – unter den Begriff der Daseinsvorsorge fallen und wer für die Erbringung dieser verantwortlich ist. Gerade wegen dieser Unschärfe wird die Begriffsweite stark geprägt von einem historisch gewachsenen Verständnis und teils noch heute als staatlicherseits zu erbringende Selbstverständlichkeit aufgefasst. Voraussetzungsvoll ebenso, da grade in ländlichen Räumen immer schon eine starke Tradition und erlebte Notwendigkeit lokaler Selbsthilfe bestand. (Eingefordertes) Engagement muss daher in einem Spannungsfeld zwischen aktiver und passiver Bewältigungsstrategie im Umgang mit wegbrechender Infrastruktur und wahrgenommener Selbstverständlichkeit. Anderenfalls besteht die Gefahr, bestehendes Engagement zu übergehen. Voraussetzungsvoll schließlich auch deshalb, da der staatliche Rückzug aus der infrastrukturellen Daseinsvorsorge auch einen öffentlichen Rückzug aus der Verantwortung für eine flächendeckende gleichwertige Teilhabe und zur Reduzierung sozialer Ungleichheit impliziert. Die
gerechtigkeitsrelevante Strukturierungskraft infrastruktureller Daseinsvorsorge wird jedoch meist ebenso wenig thematisiert wie grundlegende Funktionen und Ziele dieser.
Es gilt daher, die Voraussetzungen infrastruktureller Daseinsvorsorge vor dem Hintergrund aktuell ablaufender Transformationsprozesse aufzudecken, zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu denken. Entscheidend ist es dabei auch, die Perspektive der Bürger peripherer ländlicher Räume einzubeziehen als derjenigen, deren Aktivierung maßgeblich fokussiert wird. Eben diesen vorgeschalteten gesellschaftlichen Diskurs aufzugreifen und den Blick zu lenken auf die konstitutiven Rahmenbedingungen infrastruktureller Daseinsvorsorge, ist das Forschungsinteresse der vorliegenden Dissertation.